Persönlicher Einblick Hospiz-Seelsorge: Karin Klemm

Wenn nichts mehr zu machen ist …

Dienstag, 5. Dezember 2023

dann ist Zeit fürs Hospiz. So stellen sich viele Menschen die Situation der Patientinnen und Patienten im Hospiz vor. Was für eine Fehleinschätzung. Ganz vieles geht hier, denn das Hospiz ist ein sehr lebendiges Haus. Wir warten nicht auf den Tod unserer Patientinnen und Patienten, wir begleiten beim Leben bis zuletzt. Gerade in den geprägten Zeiten, die hinter uns liegen, Advent, Weihnachten und Jahreswechsel, wurde mir wieder einmal bewusst, wie falsch der Begriff ist, mit dem ich früher im Akutspital meine Arbeit mit Menschen in der letzten Lebensphase beschrieben habe: Sterbebegleitung. Das trifft wirklich nicht zu.

An Heiligabend feiern wir das neue Leben, das gekommen ist und wachsen und blühen will. Alle sind eingeladen, eine Hyazinthenzwiebel zu setzen im Rahmen unserer Heiligabendfeier. Einmal sagte eine Patientin zu ihrem Ehemann: «Ich weiss, dass ich sie nicht mehr blühen sehen werde, aber ich werde sie pflanzen, weil sie Dir blühen soll.» Ich bin mir sicher, dass dieser Ehemann diese kraftvolle über den eigenen Tod hinausweisende Liebeserklärung nicht vergessen wird.

An Silvester sind alle Mitfeiernden eingeladen, ein Weihrauchkörnlein auf die Kohle zu legen, damit sie die Wünsche für das neue Jahr in den Himmel transportiert. Dabei erlebe ich, wie innig Menschen anderen ein gutes Leben wünschen. Eine Grossmutter nahm ein Körnlein, schaute auf ihre Enkelin, die auch mitfeierte, schaute ihren Sohn an, der neben ihr sass, holte tief Luft und legte dann das Weihrauchkörnlein auf und es rauchte kräftig! Was eine Wunschkraft. Wünschen ist Ausdruck von Vitalität.

Die kleinen und grossen Feiern, auch ausserhalb der bekannten Feiertage, ermöglichen uns, die im Hospiz arbeiten, mit unseren Patientinnen und Patienten uns anders zu verbinden. Natürlich ist Sabine immer noch die Pflegende und ich immer noch die Seelsorgerin, wenn wir zusammen feiern. Aber innerhalb dieser Feiern ist nicht entscheidend, dass da eine Pflegende neben der Patientin sitzt, oder eine Seelsorgerin oder Ärztin. Wir feiern als Brüder und Schwestern im Menschsein. Ich weiss, das ist ein grosses Wort. Aber das Menschsein verbindet: Über Religion, Konfession und Sprachgrenzen hinweg.

Menschen in der letzten Lebensphase dabei zu begleiten, besser: dabei sein zu dürfen, wenn sie ins innige Wünschen kommen, das ist eines der grossen Geschenke in meiner Arbeit als Hospizseelsorgerin. Meine Sehnsucht, dass uns das noch mehr verbindet als Taufe oder Bekenntnis, wird beim Weihnachten feiern im Hospiz jedes Jahr grösser!

Verfasst von Karin Klemm, Hospizseelsorgerin im Hospiz Zentralschweiz