Persönlicher Einblick Gassenseelsorge: Valentin Beck

Schatz in zerbrochenen Gefässen

Freitag, 26. Januar 2024

Seelsorger Valentin Beck (Bild Emanuel Ammon) Seelsorger Valentin Beck (Bild Emanuel Ammon)

Anfang 2024 fand die ökumenische Gedenkfeier für Drogentote statt. In diesem jährlichen Anlass verdichtet sich jeweils, was unter der Oberfläche des Alltags auf der Gasse liegt. Rund 100 Menschen versammelten sich in der Stadtluzerner Matthäuskirche: Sucht- und Armutsbetroffene, Angehörige, Mitarbeitende und viele mit der Gassenarbeit Verbundene. Einige kamen, um eines ganz bestimmten Namens zu gedenken. Vielen aber ging es darüber hinaus auch darum, das zu feiern, was im nicht allzu feierlichen Gassenalltag verborgen liegt: Die Würde und deren Unantastbarkeit.

Was Paulus im zweiten Korintherbrief (4,7-9) beschreibt, trifft die Lebenssituation vieler Menschen auf der Gasse: «Diesen kostbaren Schatz tragen wir in uns, obwohl wir nur zerbrechliche Gefässe sind. (…)  Die Schwierigkeiten bedrängen uns von allen Seiten, und doch werden wir nicht von ihnen überwältigt. Wir sind oft ratlos, aber wir verzweifeln nicht. Von Menschen werden wir verfolgt, aber nicht verzweifelt. Wir werden zu Boden geworfen, aber nicht am Boden zerstört.»

Bedrängt sind Sucht- und Armutsbetroffene in ihrer gesundheitlichen und materiellen Existenz und ihrer Freiheit. Verfolgt werden sie von Suchtdruck, Behördenzwang und gesellschaftlichem Ausschluss. Ratlos sind Viele in Bezug auf die Veränderbarkeit ihrer Situation, die gesellschaftliche Teilhabe und nicht selten auch auf den Sinn ihres Daseins.

Diese für Schweizerische Verhältnisse ungewohnte existenzielle Dauergefährdung ist die ungeschminkte Realität auf der Gasse – und dementsprechend das, womit sich die Gassenarbeit und deren Seelsorge beschäftigen muss: Andauernder Krisenmodus und das Zurverfügungstellen von lindernden Mitteln. Neben sauberen Spritzen, gutem Essen, neuen Kleidern und vielem mehr, gehört nicht zuletzt die unvoreingenommene Zuwendung dazu: Jeder Mensch will gehört, gesehen und ernstgenommen werden – besonders während existenzieller Gefährdung.

Und genau beim Zuhören taucht er immer wieder auf, der «kostbare Schatz» (der Würde) von dem Paulus spricht – und zwar in jeder noch so krummen Lebensgeschichte. Staunend darüber kann es mit demselben Paulus auch so formuliert werden: «Niemand ist kaputt, auch wenn alles an ihm kaputt ist. Niemand ist verloren, auch wenn sie alles verloren hat. Und niemand fällt ins Bodenlose, auch wenn er am (bzw. eben sogar im) Boden liegt.»

Valentin Beck, Seelsorger Verein Kirchliche Gassenarbeit Luzern